Quelle:
IT Finanzmagazin
08.03.2018
Autoren:
Björn Barenthien und Mario Smeets, DCP
Ihr Ansprechpartner bei DCP
Björn Barenthien, Senior Manager
bjoern.barenthien@dc-partner.de
Mario Smeets, Manager
mario.smeets@dc-partner.de
Der bisherige Haupteinsatzbereich von RPA (Robotic Process Automation) bei Banken und Versicherern sind Prozesse, die dauerhaft und regelmäßig im Unternehmen durchgeführt werden. Hierbei fokussieren sich Unternehmen auf den langfristigen Einsatz der Roboter im „Tagesgeschäft“. Bislang unterschätzt ist dagegen die Anwendung von RPA als Automatisierungslösung für nur einmalig durchzuführende Aufgaben.
Oftmals lohnt sich auch in einmaligen Situationen der Einsatz von RPA, z.B. bei der Verarbeitung großer Datenmengen. Denn auch hierbei werden einzelne Prozesse mehrfach durchlaufen, jedoch nur in einem fixierten, meist sehr kurzen Zeitraum und zur Erreichung eines definierten Ziels. Damit besitzen solche Anwendungsfälle regelmäßig Projektcharakter.
“Ein zunehmend praxisrelevantes Beispiel ist die Datenmigration.“
Die Bedeutung einer schnellen und fehlerfreien Umsetzung steigt stark an, wenn es sich bei den zu migrierenden Inhalten um kerngeschäftsrelevante Daten oder Kundeninformationen handelt. Auch komplexe Massendatenänderungen oder einmalige Überprüfungs- und Anpassungsmaßnahmen sind Ansatzpunkte für eine Automatisierung mittels RPA.
RPA als Alternative zu maschinellen Datenmigrationsprogrammen:
Schnell umsetzbar und ressourcenschonend
Ein Beispiel für eine Kombination aus Datenmigration und Überprüfungsmaßnahme ist die Übernahme von Versicherungspolicen durch einen anderen Versicherer. Dabei muss die aufnehmende Versicherung die teils jahrzehntealten und oft in veralteten Systemen und Formaten gespeicherten Daten innerhalb kürzester Zeit prüfen und in die eigenen Systeme überführen. Hierfür werden zunächst Datenmappingvorgaben erstellt. Im klassischen Fall bieten diese die Grundlage für die anschließende Entwicklung von Migrationsprogrammen.
“Alternativ lassen sich die Mappingvorgaben als RPA-Prozess umsetzen. Die RPA-Technologie verwendet dabei die Benutzeroberfläche als einen möglichen Inputkanal.“
Hierbei kommen bei Banken und Versicherern neben Webanwendungen oft 3270-(Mainframe-)Anwendungen zum Einsatz. Letztere besitzen sehr geringe Reaktionszeiten. Dies ermöglicht eine schnelle Datenerfassung durch die Roboter, da nahezu keine Zeit für das Warten auf Rückmeldungen des Systems eingeplant werden muss – aufgrund des regelmäßig kurzen Zeitfensters für den Export, die Transformation und das Einspielen der Daten ist dies ein großer Vorteil. Neben einer hohen Erfassungsgeschwindigkeit ist eine ebenso hohe Erfassungsqualität Erfolgsvoraussetzung für die Migration. Deshalb ist die vereinzelt bei RPA-Umsetzungen noch verwendete und stark fehleranfällige Screenscraping-Technologie (Navigieren auf Basis von Pixelangaben) bei Datenmigrationen in jedem Fall zu vermeiden.
Einfache Integration von RPA in bestehende Systeme
Zur Eingabe über die Benutzeroberflächen sind keinerlei maschinelle Migrationsprogramme oder Schnittstellen zu entwickeln. Dadurch ist sichergestellt, dass bei der Dateneingabe sämtliche Eingaberegeln des Zielsystems automatisch berücksichtigt werden.
“Denn anders als bei einer maschinellen Migration, nutzt RPA sämtliche zielsystemseitigen Prüfroutinen und Unterstützungsprozesse, die den Mitarbeitern in der täglichen Anwendung zur Verfügung stehen, gewinnbringend aus.“
Moderne RPA-Lösungen nutzen in der Prozessgestaltung oft vorgefertigte, grafisch aufbereitete Bausteine, so dass zur Umsetzung der Prozesse keine Programmierung im eigentlichen Sinne erforderlich ist. Daher sind keine Programmtests – lediglich Prozesstests – notwendig, was ebenfalls zu einer deutlich schnelleren Umsetzung als bei maschinellem Vorgehen beiträgt.
“Zusätzlicher Vorteil der Datenmigration mit RPA: Der Datenexport ist nicht an ein bestimmtes Dateiformat gebunden.“
Die Roboter können mit verschiedensten Dateiformaten umgehen (klassische Beispiele sind XML, XLS oder CSV). So kann jeweils das Format genutzt werden, welches für die Migration am zielführendsten oder quellsystemseitig am einfachsten anwendbar ist.
RPA als Alternative zur manuellen Datenmigration: Vorteile bei Qualität, Geschwindigkeit und Kosten
Aktuelle Umsetzungsprojekte belegen nicht nur den Erfolg von RPA als Gegenentwurf zur maschinellen Migration, sondern auch zu der bisher einzigen Alternative: der manuellen Dateneingabe durch Mitarbeiter.
Manuelle Datenmigrationen können notwendige Programmier- und Testtätigkeiten vermeiden und so Engpässe im IT-Bereich umgehen. Dies führt oft zu reinen Engpassverschiebungen auf den Bereich, der die erfassenden Mitarbeiter bereitstellt. Alternativ sind temporäre Mitarbeiterkapazitäten kostenintensiv am Markt zu beschaffen. Die manuelle Datenmigration besitzt einen weiteren, in bisherigen Umsetzungsprojekten regelmäßig ausschlaggebenden Nachteil: Menschen machen Fehler. Es ist davon auszugehen, dass ein relevanter Teil der manuell erfassten Daten Fehler enthält, die nur unter hohem Aufwand gefunden und korrigiert werden können.
RPA hingegen durchläuft die programmierten und getesteten Prozesse in gleichbleibender (fehlerfreier) Qualität.
“Die Kosten der RPA-Lösungen liegen dabei erfahrungsgemäß sogar unter den (Verrechnungs-)Kosten für Mitarbeiter und führen so im Regelfall zu einem positiven Projekt-ROI.“
Lediglich das oft angeführte Argument, RPA biete eine 24/7-Datenverarbeitungsmöglichkeit, muss für Banken und Versicherer entkräftet werden. Hier verhindern Tagesendverarbeitungen oft die ununterbrochene Arbeit der Roboter, wenngleich die tägliche Erfassungsdauer dennoch höher ist, als bei manuellen Migrationen.
Besonderheiten bei der Datenmigration durch Roboter: Berücksichtigung sichert Umsetzungserfolg
Werden Roboter langfristig für repetitive Aufgaben eingesetzt, führen diese im Tagesverlauf oft unterschiedliche Prozesse aus – je nachdem, wo gerade Daten auf ihre Verarbeitung warten. Bei Datenmigrationen bietet es sich hingegen an, einzelne Prozesse ununterbrochen und mit einer großen Anzahl parallel arbeitender Roboter durchzuführen. So sind oft zunächst Kundenstammdaten zu erfassen, bevor mit der Verarbeitung von Verträgen, Umsatz- oder Steuerdaten begonnen werden kann. Anschließend kann dann mit der vollen Roboterkapazität auf den nächsten Prozess übergegangen werden – sofern es der Migrationsfahrplan erfordert.
Eine entsprechende Steuerung ist hier unabdingbar. Diese beinhaltet nicht nur die technische Bedienung der einzelnen Roboter, sondern bspw. auch das Aufteilen der Inputdateien auf die Roboter. Ist nur eine kleine Anzahl von Robotern im Einsatz, kann die Steuerung manuell erfolgen. Bei einer großen Anzahl bietet sich der Einsatz von Orchestratoren an (Anwendungen – bspw. webbasiert –, die die automatisierte Kontrolle und Steuerung einer großen Anzahl von Robotern ermöglichen).
Infrastrukturell kann auch bei Datenmigrationen zwischen einer Server-Client- oder Standalone-basierten Installation der Roboter gewählt werden.
“Erfolgt die Installation auf einzelnen Standalone-Arbeitsplätzen, ist zu berücksichtigen, dass für einen meist kurzen Zeitraum eine große Anzahl an Hardware zu beschaffen und lauffähig zu machen ist.“
Für den nur kurzzeitigen Einsatz der Roboter bei einer Datenmigration ist der Kauf entsprechender Lizenzen lediglich die zweite Wahl, besser sind hier Mietmodelle. Die Möglichkeit hierzu sollte bei der Auswahl des Umsetzungs- bzw. Softwarepartners berücksichtigt werden.
Fazit: RPA als sinnvolle Alternative bei Daten-Migrationen zu prüfen
RPA bietet oftmals eine beachtenswerte Alternativlösung für die einmalige Verarbeitung großer Datenmengen innerhalb eines kurzen Zeitraums – bei Migrationen von Daten im Rahmen von Systemwechseln oder auch bei Fusionen. Gegenüber einer eigenständigen Programmentwicklung überzeugt RPA durch Einfachheit und schnelle Umsetzungsfähigkeit. Gegenüber einer manuellen Verarbeitung liegt RPA – neben der höheren Prozessgeschwindigkeit – in Sachen Qualität vorne.